Freitag, 13. August 2010

Was auf Bildern fehlt

Er rückte auf seinem Stuhl herum, schob die langen Beine in einen steileren Winkel und sah mich an, nachdenklich, mit einem Blick ganz weit weg oder ganz in sich drin. Was meinen sie? Warum erscheinen ihnen Bilder so anders sind als die Wirklichkeit? Na, ja, irgendwie sehen die Bilder immer so schön aus, auch wenn sie nichts Schönes abbilden. Zum Beispiel, meine Bilder von den Garküchen. Sie sind unheimlich bunt oder lichterfüllt - aber so ist es nicht, nicht nur. Es fehlt der Geruch der Stinkfrüchte oder der ohrenbetäubende Lärm der Mopeds, das harte Tak-Tak der vietnamesischen Sprache. Ja, das stimmt natürlich, sagt der Fremde und nickt. Es ist immer eine gewisse Inszenierung, selbst wenn man scheinbare Schnappschüsse macht. Man spart einen Dreckhaufen aus, einen Kabelwald, eine dicke weiße Touristin, mit einem winzigen, roten Rucksack - und ich stelle auch noch Menschen, die mir irgendwie gefallen, vor einen bestimmten Hintergrund. Aber irgendwie ist es auch eine Wirklichkeit, eine Augenblickswirklichkeit, ein bestimmter Blickwinkel zu einem bestimmten Zeitpunkt, der eigentlich ganz kurz ist - nur durch das Bild machen wir ihn ewig oder jedenfalls so ewig, wie das Bild besteht.

Nachtkueche

Ich fand es schön, wie genau mir der Fremde seine Gedanken mitteilte, wie genau er sie ausdrücken konnte. Die ganze Zeit, während er sprach, hatte er die Augen zwar auf mich, den Blick aber in irgendeine unbestimmte Ferne gerichtet. Er hatte ein schönes, kantiges Gesicht, mit einem recht ausgeprägten Kinn und einer schmalen, aber leicht gebogenen Nase. Während er mit mir sprach, schien er noch etwas ganz Anderes im Kopf zu haben, etwas das zeitlich zurücklag. Und ich? Während ich ihn ansah, ertappte ich mich dabei, wie ich mir zum ersten Mal, seit ich von Peter getrennt war, darüber nachdachte, ob mir ein Mann gefiel.

Und beim Schreiben? Da wird der Geruch riechbar und das Moped hörbar? fragt er fast plötzlich in die Stille unserer Gedanken. Na ja, ich versuche einen Augenblick zu beschreiben, mit allem, was ihn ausmacht - für mich. Er nickt und blickt wieder in die Ferne, mit diesen meergrauen Augen, die mir mittlerweile schön erscheinen, schön und begehrenswert. So sehr, dass ich von mir selbst überrascht bin. Es ist auch nur eine Annäherung, resümiere ich nach dieser weiteren kleinen Pause. Ja, sagt er, es ist eine Beschreibung ihres Empfindens dieses Augenblicks. In einem anderen Augenblick könnten sie anders empfinden.

Sotto Voce

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