Nachts im Museum
Am Samstag war mal wieder so eine Abendveranstaltung in der Frankfurter Schirn. Solche Abende hatte ich bisher leider verpasst. Das wollte ich nachholen - obwohl ich nicht so genau wusste, was mich da erwartete. Das viel versprechende Motto lautete "Vodka und Wasser".
Also egal. Auf zu "Schirn at Night" anlässlich der Ausstellung Courbet. Ein Traum von der Moderne. Mein Ehegemahl hatte sich zur Begleitung bereit erklärt und wir fuhren von Offenbach in die große Stadt. Leider waren wir ein bisschen knapp in der Zeit, aber was genau sollte eigentlich um zwanzig Uhr beginnen? Eine Führung? Der Vodka-Ausschank? Wir ließen uns überraschen und vor dem Eingang einen Stempel verpassen. Wie früher in der Disco. Das Foyer war in purpurfarbenes Licht getaucht und es tummelten sich schon einige junge Leute darin. Überall waren Tische mit Wein aufgestellt. Ich fragte mich, wo der Vodka war. Sollten wir jetzt etwas trinken? Waren die Getränke etwa umsonst? Gerade als wir etwas ziellos an den Stufen der großen Treppe standen, sprach mich eine junge Frau an. Sie war auch in Begleitung hier und begrüßte mich überaus höflich. Ich bewunderte noch ihre aparte Erscheinung. Sie trug ein schwarzgetupftes Oberteil als sie sagte, dass sie mich ja schon lange nicht mehr gesehen hätte. Ich konnte ihr nur beipflichten, überlegte aber noch die ganze Zeit, wo ich sie überhaupt schon einmal gesehen hatte.
Darüber gelangten wir nach oben in den ersten Stock. Auch hier wurden Getränke angeboten. Allerdings war auch Licht in der Ausstellung zu sehen und so ließen wir uns hineintreiben. Die großen Selbstporträts Courbets zogen uns mit seinen wunderschön gemalten Augen gleich in seinen Bann. Um uns herum ging es äußerst lebendig zu. Viele junge Leute in schicker Garderobe näherten sich unerschrocken den hochrangigen Kunstwerken und fragten andere junge Leute in schwarzen T-Shirts aus. Diese T-Shirts mit der Aufschrift "Frag mich", fand ich ein wenig diskriminierend. Dennoch taten die jungen Leute redlich, was ihnen aufgetragen war.
So hörten wir darüber, wie sich Courbet Motive aus dem alltäglichen Leben suchte, so zum Beispiel einfache Bauern oder fahrendes Volk, ja sogar Tiere, wie einen leidenden Hirschen oder eine traurige Forelle. Ich überlegte mir, was die jungen Studenten wohl an diesen Bildern finden. Was mir bei den Bildern Courbets immer noch auffällt, neben der malerischen Qualität, ist der Mut zum eigenen Motiv und die Begeisterung für das Wilde, Unbezähmbare.
Bei den Ausführungen der Frag-mich-Studenten musste ich immer wieder an meine eigene Studienzeit denken. Schon den Namen Courbet kann ich nicht denken, ohne dabei die Stimme von Professor Herding zu hören. Seine charakteristische Aussprache, streng und hart, leicht vibrierend vor Ehrfurcht, aber auch vor Begeisterung. Wie lange war das her gewesen?
Und plötzlich, was war das? Plötzlich hörte ich eine solche Stimme, die einen der jungen Frag-mich-Studenten höflich auf eine ausgefallene Lampe an der Decke hinwies. Ich sah genauer hin. Das war er wirklich. Schmal wie immer, weißhaarig, wie immer. Oder waren die Haare damals weniger weiß gewesen? Jedenfalls sehr agil und quicklebendig lief er hier- und dorthin, zeigte an die Decke. Er lächelte und grüßte, schien äußerst gut gelaunt. Das war seine Ausstellung, schoss es mir durch den Kopf. Courbet hatte ihm immer besonders am Herzen gelegen und nun war endlich wieder eine Ausstellung in Frankfurt. Vielleicht hatte er sogar entscheidend mitgewirkt.
Mir machte diese kleine Begegnung diesen Abend jedenfalls zu einem ganz besonderen Erlebnis. Mein Professor von vor über zehn Jahren widmete sich immer noch mit ungebrochenem Interesse und ungebrochenem Elan seinen Herzensangelegenheiten in der Kunst. Das sollte mir Mut machen, dachte ich. Mut für meine eigenen Herzensangelegenheiten. Nicht grübeln! Weitermachen!
Also egal. Auf zu "Schirn at Night" anlässlich der Ausstellung Courbet. Ein Traum von der Moderne. Mein Ehegemahl hatte sich zur Begleitung bereit erklärt und wir fuhren von Offenbach in die große Stadt. Leider waren wir ein bisschen knapp in der Zeit, aber was genau sollte eigentlich um zwanzig Uhr beginnen? Eine Führung? Der Vodka-Ausschank? Wir ließen uns überraschen und vor dem Eingang einen Stempel verpassen. Wie früher in der Disco. Das Foyer war in purpurfarbenes Licht getaucht und es tummelten sich schon einige junge Leute darin. Überall waren Tische mit Wein aufgestellt. Ich fragte mich, wo der Vodka war. Sollten wir jetzt etwas trinken? Waren die Getränke etwa umsonst? Gerade als wir etwas ziellos an den Stufen der großen Treppe standen, sprach mich eine junge Frau an. Sie war auch in Begleitung hier und begrüßte mich überaus höflich. Ich bewunderte noch ihre aparte Erscheinung. Sie trug ein schwarzgetupftes Oberteil als sie sagte, dass sie mich ja schon lange nicht mehr gesehen hätte. Ich konnte ihr nur beipflichten, überlegte aber noch die ganze Zeit, wo ich sie überhaupt schon einmal gesehen hatte.
Darüber gelangten wir nach oben in den ersten Stock. Auch hier wurden Getränke angeboten. Allerdings war auch Licht in der Ausstellung zu sehen und so ließen wir uns hineintreiben. Die großen Selbstporträts Courbets zogen uns mit seinen wunderschön gemalten Augen gleich in seinen Bann. Um uns herum ging es äußerst lebendig zu. Viele junge Leute in schicker Garderobe näherten sich unerschrocken den hochrangigen Kunstwerken und fragten andere junge Leute in schwarzen T-Shirts aus. Diese T-Shirts mit der Aufschrift "Frag mich", fand ich ein wenig diskriminierend. Dennoch taten die jungen Leute redlich, was ihnen aufgetragen war.
So hörten wir darüber, wie sich Courbet Motive aus dem alltäglichen Leben suchte, so zum Beispiel einfache Bauern oder fahrendes Volk, ja sogar Tiere, wie einen leidenden Hirschen oder eine traurige Forelle. Ich überlegte mir, was die jungen Studenten wohl an diesen Bildern finden. Was mir bei den Bildern Courbets immer noch auffällt, neben der malerischen Qualität, ist der Mut zum eigenen Motiv und die Begeisterung für das Wilde, Unbezähmbare.
Bei den Ausführungen der Frag-mich-Studenten musste ich immer wieder an meine eigene Studienzeit denken. Schon den Namen Courbet kann ich nicht denken, ohne dabei die Stimme von Professor Herding zu hören. Seine charakteristische Aussprache, streng und hart, leicht vibrierend vor Ehrfurcht, aber auch vor Begeisterung. Wie lange war das her gewesen?
Und plötzlich, was war das? Plötzlich hörte ich eine solche Stimme, die einen der jungen Frag-mich-Studenten höflich auf eine ausgefallene Lampe an der Decke hinwies. Ich sah genauer hin. Das war er wirklich. Schmal wie immer, weißhaarig, wie immer. Oder waren die Haare damals weniger weiß gewesen? Jedenfalls sehr agil und quicklebendig lief er hier- und dorthin, zeigte an die Decke. Er lächelte und grüßte, schien äußerst gut gelaunt. Das war seine Ausstellung, schoss es mir durch den Kopf. Courbet hatte ihm immer besonders am Herzen gelegen und nun war endlich wieder eine Ausstellung in Frankfurt. Vielleicht hatte er sogar entscheidend mitgewirkt.
Mir machte diese kleine Begegnung diesen Abend jedenfalls zu einem ganz besonderen Erlebnis. Mein Professor von vor über zehn Jahren widmete sich immer noch mit ungebrochenem Interesse und ungebrochenem Elan seinen Herzensangelegenheiten in der Kunst. Das sollte mir Mut machen, dachte ich. Mut für meine eigenen Herzensangelegenheiten. Nicht grübeln! Weitermachen!
Ingrid Walter - 22. November, 16:37