Pause nach dem Weg über die Pyrenäen - im Morleos in Offenbach

Hier sitze ich also heute nach einem ebenso anregenden wie überraschenden Gespräch in der Buchhandlung am Markt in Offenbach. Ich suchte nach einem Geschenk für eine Freundin. Währenddessen kam noch ein anderer Kunde oder Leser schnellen Schrittes mit einem Zeitungsartikel in die Buchhandlung geeilt. Plötzlich fiel der Name Lisa Fittko und es schienen irgendwelche Unklarheiten über den Buchtitel zu herrschen. Da hängte ich mich rein, denn irgendwie war mir der Name Lisa Fittko und sie geleistet hatte, zu wichtig.

Morleos-Tisch

"Mein Weg über die Pyrenäen" heißt das Buch, warf ich ein und lief zur Kasse, wo der Leser und die Buchhändlerin standen. Ja, ganz recht, sagte er und betrachtete mich neugierig mit seinen dunkelblauen Augen. Ist das ein Kinderbuch?! Nein, sagte ich. Das ist eine autobiografische Aufzeichnung von Lisa Fittko, die vielen Exilanten auf einem schmalen Pfad durchs Gebirge zur Flucht aus Europa verholfen hat - während des zweiten Weltkrieges. Ja, Walter Benjamin, sagte der Leser und hielt mir einen Artikel hin, der in der Sonntags-FAZ erschienen war - nicht im Feuilleton, sondern im Reiseteil. So nähert man sich also heute dem tragischen Schicksal von Menschen, die Deutschland unter dem Naziregime verlassen mussten - als Tourist. Aber wohl besser als gar nicht und schließlich ist man als Nachgeborene in einem solchen Leben wohl immer nur Tourist.

Der Leser war jedenfalls neugierig geworden und bestellte sich das autobiografische Buch von Lisa Fittko, um mehr zu erfahren über die Geschichte der Menschen, die damals diesen Weg genommen hatten. Es waren viele bekannte Persönlichkeiten des deutschen Kulturschaffens dabei - darunter einige, die niemals Wanderschuhe besessen hatten, geschweige denn Outdoorjacken. Sie sind in ihren Straßenanzügen und mit ihren Stadtschuhe losgelaufen - um ihr Leben.

Der Herr bestand darauf, mir eine Kopie des Artikels machen zu lassen und bedankte sich für das anregende Gespräch. Ich bestellte daraufhin dann doch den Roman von Erich Maria Remarque - Die Nacht von Lissabon und nicht den Houellebecq. Außerdem nahm ich noch ein knallrotes Notizheft mit und begab mich mit dem Artikel ins Morleos.

Das Morleos ist ein kleines loungiges Lokal am Wilhelmsplatz, das allen Bedürfnissen gerecht wird. Es ist morgens ein Café, mittags ein Restaurant mit internationaler, nahezu feiner Küche und abends eine Bar mit gut gemixten Cocktails. Ich sitze gern vorn bei der Theke, da bekommt man am meisten mit.

Morleos-Theke

Und während ich diesen Artikel las, über diesen steilen Pyrenäenweg, der heute Chemin Walter Benjamin heißt, sprach das Thekenpersonal ganz unpassenderweise über Apérol-Kaviar - raffinierte Zutat für einen Apérol Spritz und neuartiger Gag aus der Molekularküche. Das scheint endlich einmal eine reizvolle Kreation aus dieser mir sonst eher suspekten Spielart der Kochkunst, dachte ich und wünschte mich weg nach Banyuls oder Port Bou auf eben diesen steinigen, sonnenbeschienen Pfad.

Sotto Voce

Webteppich aus Worten und Bildern

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Vergessene Stadtvillen,...
Ich lasse die Zwiebelkuppel und das schlanke, weiße...
Ingrid Walter - 4. Oktober, 21:02
Bahnhof, Balkangrill...
Und da wandere ich wieder. Im Buchrainweg geht es los,...
Ingrid Walter - 16. August, 10:31
Ausblicke-Einblicke -...
Wenn man reinkommt, fängt das große auf Leinwand gezogene...
Ingrid Walter - 21. Juli, 16:51
Pause nach dem Weg über...
Hier sitze ich also heute nach einem ebenso anregenden...
Ingrid Walter - 14. Juli, 20:17
Ein Tag mit der besten...
Ein Samstag in Aschaffenburg bei meiner Freundin kommt...
Ingrid Walter - 13. Juli, 20:37

Links

Suche

 

Status

Online seit 5186 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Oktober, 21:05

Credits


Arbeitsjournal
Gartenlaube
Kaffeehaus
Kunst
Kurzgeschichten
Roman im Entstehen
Selbstporträt
Streifzüge
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren