Kleine Zeitreise im Rotlint Café in Frankfurt
Das Rotlint wird jetzt von einem Asiaten bewirtet, einem Indonesier vielleicht. Er hat einen sehr freundlichen kahlen runden Kopf und versteht etwas von Tee. Denn er bringt mir für meinen Sencha eine zweite Kanne heißes Wasser. "Der zweite Aufguss schmeckt besser", sagt er und lächelt durch seine runden Brillengläser.
Ansonsten hat sich hier nichts verändert. Es gibt immer noch rotgesprenkelte Marmortische, eine weiße Rose auf dem Tisch und eine rote Kerze, schöne Art Déco Milchglaslampen an Decke und Wänden.

Als ich zum ersten Mal hier war, das muss wohl zwanzig Jahre her sein, war ich in der Ausbildung und arbeitete im sogenannten Shell-Hochhaus. Dort war im vierten Stock die "Automation" untergebracht. Heute würde man das wohl Serverraum nennen. Damals war das die komplette EDV-Versorgung eines international tätigen Chemie-Konzerns. Riesige blaue Kästen verarbeiteten dort Informationen, die Mitarbeiter wie ich auf Spezial-Papier-Bögen eingetragen hatten. Diese Bögen waren in hellem Mint gehalten, die Durchschläge waren Tomatenrot. Das weiß ich noch wie heute. Die Informationen mussten teils mit einem bestimmten Kugelkopf einer roten IBM und teils in genormten Zahlen mit bestimmten Bleistiften aufgebracht werden. Es war etwas mühsam und wenn man nicht deutlich genug schrieb, musste jemand aus der Automation den Bogen nochmals ausfüllen. Ich war bald Spezialistin darin, die Vertipper mit der Rasierklinge auszubessern. Hinter den genormten Zahlen verbargen sich verschlüsselte Werksnummern, Einschiffungshäfen und Ankunftshäfen der Waren. Ich bediente die Häfen Abidjan, Durban, Madras und Port Moresby.
Gerade kommen zwei Inderinnen herein. Sie unterhalten sich mit dem Wirt über die Nachteile eines Automatikantriebes im Winter. Alle Miteinander sprechen sie deutsch.
Damals war Juni und ich ging in der Mittagspause allein durch die Straßen, immer auf Entdeckertour im mir noch unbekannten Nordend. Bei einem Friseur in der Rohrbachstraße ließ ich mir die Haare kurz schneiden. Bei einem kleinen Hippieladen kaufte ich mir ein Sommerkleid aus weißer indischer Baumwolle und ein kleines Köfferchen aus Rattan, das mir als Arbeitstasche diente.
Damals hätte ich gehen sollen. Weg aus dieser Ausbildung. Weg aus Frankfurt.

Ansonsten hat sich hier nichts verändert. Es gibt immer noch rotgesprenkelte Marmortische, eine weiße Rose auf dem Tisch und eine rote Kerze, schöne Art Déco Milchglaslampen an Decke und Wänden.

Als ich zum ersten Mal hier war, das muss wohl zwanzig Jahre her sein, war ich in der Ausbildung und arbeitete im sogenannten Shell-Hochhaus. Dort war im vierten Stock die "Automation" untergebracht. Heute würde man das wohl Serverraum nennen. Damals war das die komplette EDV-Versorgung eines international tätigen Chemie-Konzerns. Riesige blaue Kästen verarbeiteten dort Informationen, die Mitarbeiter wie ich auf Spezial-Papier-Bögen eingetragen hatten. Diese Bögen waren in hellem Mint gehalten, die Durchschläge waren Tomatenrot. Das weiß ich noch wie heute. Die Informationen mussten teils mit einem bestimmten Kugelkopf einer roten IBM und teils in genormten Zahlen mit bestimmten Bleistiften aufgebracht werden. Es war etwas mühsam und wenn man nicht deutlich genug schrieb, musste jemand aus der Automation den Bogen nochmals ausfüllen. Ich war bald Spezialistin darin, die Vertipper mit der Rasierklinge auszubessern. Hinter den genormten Zahlen verbargen sich verschlüsselte Werksnummern, Einschiffungshäfen und Ankunftshäfen der Waren. Ich bediente die Häfen Abidjan, Durban, Madras und Port Moresby.
Gerade kommen zwei Inderinnen herein. Sie unterhalten sich mit dem Wirt über die Nachteile eines Automatikantriebes im Winter. Alle Miteinander sprechen sie deutsch.
Damals war Juni und ich ging in der Mittagspause allein durch die Straßen, immer auf Entdeckertour im mir noch unbekannten Nordend. Bei einem Friseur in der Rohrbachstraße ließ ich mir die Haare kurz schneiden. Bei einem kleinen Hippieladen kaufte ich mir ein Sommerkleid aus weißer indischer Baumwolle und ein kleines Köfferchen aus Rattan, das mir als Arbeitstasche diente.
Damals hätte ich gehen sollen. Weg aus dieser Ausbildung. Weg aus Frankfurt.

Ingrid Walter - 27. Januar, 16:00