Montag, 30. Mai 2011

Houellebecq oder die Kunst des Spargelkochens - das Markthäuschen in Offenbach

Am Freitag sah es nach Regen aus. Dennoch wagte ich den Gang auf den Markt. Im Moment locken Spargel und Erdbeeren - und hier und da ein kleiner vergnüglicher Plausch locken immer. Und immer kaufe ich dann mehr ein, als ich eigentlich will. Zum Beispiel bei Maria. Die Gute füttert mich mit Orangensalat in salzigem Olivenöl. Ein Hanken Pecorino, ein Atzen Weißbrot, landen in meiner Tasche. Giovanni überrascht mich mit einem Strauß Datterini-Tomätchen. Dann weiter zu Kartoffel-Jäger, neue Pfälzer mehlig-fest - und dazu Spargel. Ach ja und Allgäuer Bergkäse bei Strifler - und ein paar Äpfel aus dem Odenwald. Wie gerufen ziehen plötzlich vermehrt graue Wolken am Himmel auf und treiben mich ins Markthäuschen. Kurz sitze ich noch draußen auf einer Bank gegenüber einer netten Dame, dann spritzt der Regen zwischen den großen Sonnenschirmen aufs Pflaster und ich packe mich samt vollem Korb an den kleinen Tisch neben der Theke.

Markthaus-Offenbach

Das Markthäuschen ist kein klassisches Kaffeehaus, sondern eher eine kleine Äpplerkneipe - aber es erfüllt die Funktionen eines Kaffeehauses trefflich: Es ist ein Ort des Kommen und Gehens, des regen Austauschs, ja des Klatsches, der festen Verabredungen und der zufälligen Begegnungen. Ich selbst habe hier schon unverhofft interessante Gespräche über Houellebecq oder die Kunst des Spargelkochens geführt. Die unverbindlich nette Marktatmosphäre, das flüchtige Austauschen von Grüßen und Worten, das vielleicht nicht ganz geplante Einkehren im Markthäuschen scheint Gemüter und Zungen zu lockern.

Bei mir selbst lockert die Atmosphäre die Gedanken. Regelmäßig zücke ich mein kleines Notizbuch und halte ein paar Eindrücke fest. Manchmal wird daraus der Anfang einer Erzählung, manchmal hilft mir ein aufgefangener Dialogfetzen weiter. So, wie diese kleine Unterhaltung mit Giovanni, der mit zweiundzwanzig Jahren aus Messina kam und sich hier eingerichtet hat. Freitags hilft er seinen Schwiegereltern am Obststand und trinkt danach mit den Marktleuten einen Espresso. Oder das Gespräch mit dem Französischlehrer, der der Mietpreise wegen von Frankfurt nach Offenbach gezogen ist, aber viel lieber wieder nach Kenia gehen würde - dort sei der Kaffee noch besser. Er sucht auf dem Wilhelmsplatz ein bisschen städtisches Flair und schwärmt mir über den neuen Roman von Michel Houellebecq vor - was sich ja fast schon ausschließt, denn Houellebecq schreibt einfach zu schonungslos über unsere Welt, um darüber ins Schwärmen zu geraten.

Ich jedenfalls bin dankbar für alles, für die eine und die andere Weltsicht, für ein bisschen Lokalkolorit, was sich kaum festlegen lässt - und für ein bisschen Echtzeitgeplauder in Zeiten von Facebook und Co.

Markthaus-Offenbach-mit-Pfingstrose

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